Interview mit Andy Schwab im Spuren Magazin
Martin Frischknecht hat ein spannendes und provokatives Interview mit Andy Schwab im SPUREN Magazin im Januar 2016 veröffentlicht
Wissen Sie, warum bei uns die Toten auf dem Friedhof begraben werden? Nicht damit sie dort ihren Frieden finden mögen, wie es das Wort nahezulegen scheint. In unserer Gesellschaft schaffen wir Verstorbene auf den Friedhof, weil sie dort in einem eingefriedeten Bezirk hinter Mauern liegen. Und die Mauer zum Reich des Jenseits errichten wir, auf dass uns die Toten in Ruhe lassen. Sie sollen bleiben, wo sie sind; mit Grabpflege und ehrendem Angedenken halten wir sie uns respektive ihren Geist, vom Leib.
Einen gänzlich anderen Umgang mit Toten pflegen Medien, die sich den Verstorbenen zur Verfügung stellen und ihnen ihre Stimme leihen. Andy Schwab, ein Freund und Lehrer des populären Schweizer Jenseitsmediums Pascal Voggenhuber, verwendet keine Energie darauf, Hüben und Drüben auseinanderhalten zu wollen. Für den seit Jahrzehnten tätigen Medialen sind die Grenzen fliessend. Das Weiterleben der Seele nach dem Tod ist für ihn selbstverständlich; zugleich bemüht er sich aber sehr darum, Begriffe und Bereiche, die nicht zusammengehören, auseinanderzuhalten.
Bei seiner Arbeit sei es von grosser Bedeutung, unterscheiden zu können zwischen dem, was ein Sensitiver aus dem energetischen Feld einer Person abliest, die zu ihm kommt, um sich von ihm beraten zu lassen, und jenen Aussagen, die er als Medium von Verstorbenen aus dem Jenseits empfange. Das eine dürfe mit dem anderen nicht vermischt werden, sonst werde der Verstorbene gewissermassen um die Gelegenheit gebracht, sich direkt und unverfälscht an den Ratsuchenden zu wenden. Für den Klienten bleiben beide Quellen mysteriös. Wenn das Medium sich nicht darum bemüht, sie auseinanderzuhalten, hat der Klient keine Chance, sie selber zu unterscheiden. Selbst die vorgängige Beschreibung eines Verstorbenen und dessen Eigenheiten dürfen nicht aus dem Energiefeld des Klienten und seinen Erinnerungen abgelesen werden.
Noch eine Unterscheidung, auf die Andy Schwab enorm Wert legt: Sensitivität und Medialität seien erlernbar wie ein Handwerk, wobei es selbstverständlich mehr oder minder grosse Begabungen gebe, die Ausbildungswillige von Haus aus mitbringen. Wer es in diesen Bereichen zu Können oder gar Meisterschaft gebracht habe, sei deswegen aber noch längst nicht zu so etwas wie einem besseren Menschen geworden. «Als Medium zu arbeiten, ist ein wunderbarer Beruf, und ich kann Menschen helfen. Aber das macht mich nicht zu einem Heiligen. Vielmehr bekomme ich es mit gewissen Gefahren zu tun. Nicht von ungefähr wird einem im Yoga und im Buddhismus geraten, sich mit diesen Fähigkeiten zurückzuhalten. Zu stark ist die Versuchung, damit sein Ego aufzublähen.»
Um dem entgegenzuwirken, übt sich Andy Schwab regelmässig in Meditation, und er hat Schweigeretreats und Yoga fest in den Lehrplan seiner Schule für Medialität und Heilen eingebaut. Wer von Berufes wegen dauernd mit fremden Stimmen und Informationen zu tun habe, brauche zwischendurch ein Abtauchen in die Stille, eine Art Reset und Grossreinemachen für den mentalen Apparat.
In der Esoterik gebe es selbstverständlich Modeerscheinungen, Wellen der Begeisterung, die kommen und gehen. Die Quellen der Inspiration seien einem steten Wandel unterworfen. Der Tod und die Jenseitskontakte gehörten jedoch in eine andere Kategorie. Dabei handle es sich um Konstanten des menschlichen Lebens selbst. Wir alle seien mit dem Verlust von nahe stehenden Menschen konfrontiert. «Menschen, die jemanden verlieren, leiden an dieser Tatsache. Wenn sie vom Toten dann die Botschaft bekommen: ‹Hey, Schatz, es geht mir gut, und ich liebe dich›, kann das sehr viel Heilung bringen und Trauma auflösen.» Viele Hinterbliebene denken, es seien Dinge unausgesprochen geblieben, und es gebe zwischen ihnen und den Verstorbenen noch etliches zu klären. Da liege ein enormes Heilpotenzial. Viele der Botschaften mögen von aussen besehen vielleicht banal klingen, doch für die Betroffenen selber sei das wesentlich anders. Sie würden in ihrem Herzen berührt, und dadurch werde Heilung möglich.
Daneben gelte es aber auch ganz handfeste Botschaften zu übermitteln. Eine Verstorbene riet ihren Nachkommen, an einer bestimmten Stelle die Treppe zu flicken, um einen Sturz zu vermeiden. Ein Witwer konsultierte das Medium, um sich von seiner Frau aus dem Jenseits Anweisungen geben zu lassen, wie deren beträchtliche Hinterlassenschaft unter den Erben aufzuteilen sei. Ein Vater sah aus dem Jenseits zu, wie sich sein Sohn um eine bestimmte Stelle bewerben wollte. Da der Verstorbene Einblick habe in die problematische Persönlichkeit des Chefs, welcher den Sohn an der Stelle erwarte, könne er diesem abraten, die Bewerbung zu unternehmen.
In der Wahrnehmung eines Mediums stehen Millionen von Verstorbenen um uns Lebende herum. Sie halten sich vorzugsweise in der Nähe ihrer Nachkommen bereit und möchten denen etwas mitteilen. Wenn bei einem Medium die Kanäle der Wahrnehmung aufgingen, könne das Konzert der Gestalten und Stimmen mitunter zu einer überwältigenden Erfahrung werden. Zu Beginn stünden sämtliche Kanäle dauernd auf Empfang, und die Medialität kontrolliere das Medium.
Durch gezielte Schulung und durch Erfahrung kehre sich die Sache um, und ein Medium lerne, seine Medialität zu kontrollieren. Um von seiner Gabe nicht überschwemmt zu werden, müsse ein Medialer seine besonderen Fähigkeiten ein- und ausschalten können – aktiv werde er in aller Regel nur, wenn Lebende ihn darum ersuchten.
Ratschläge aus dem Jenseits dürften auch nicht überhöht oder verklärt werden. Ein Onkel, der im Leben einen Konkurs nach dem anderen produzierte, tauge auch als Verstorbener nicht unbedingt zum Finanzberater. Was er seinen Nichten und Neffen gegenüber äussere, entspreche weiterhin seiner persönlichen Sicht der Dinge, und die Informationen seien entsprechend mit Vorsicht zu geniessen. Die Entscheidungen treffen letztlich die Lebenden, und sie haben ihre Schritte schliesslich auch selber zu verantworten.
Umgekehrt sei es aber auch schwer mitbekommen zu müssen, wie sehr Verstorbene daran litten, wenn sie von aus-sen zusehen müssten, wie Hinterbliebene von einem Fehler zum nächsten stolperten, wie sie sich im Leben durchseuchten und wie es ihnen schlecht gehe. In seinem im Sommer 2015 veröffentlichten ersten Buch beschwört Andy Schwab denn auch nicht Spuk- und Poltergeister, sondern Die Liebe der geistigen Welt (Aquamarin Verlag). Die Verstorbenen wollten uns Lebenden in aller Regel helfen. Spätestens im Jenseits hätten sie verstanden, worauf es im Leben wirklich ankomme. Selbst wenn wir ihre sterblichen Überreste hinter Friedhofsmauern verbannen – wohl nicht zuletzt, weil wir uns davor fürchten, an die eigene Sterblichkeit gemahnt zu werden –, hindert das die Seelen der Verstorbenen nicht daran, uns wohlwollend zu begleiten und uns ihre Liebe zu schenken.
www.kaleidoskop.org
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